Neuer Geist in alten Gemäuern

Ein Streifzug durch die oberösterreichische Landesbibliothek am Schillerplatz in Text und Bildern.

Den Schlagwortkasten durchforsten. Titel von jenen Büchern auswählen, die passen könnten. Auf Zetteln notieren und beim Bibliothekar abgeben. Warten, bis die Bücher am Wägelchen herausgeschoben werden. Dabei mucksmäuschenstill sein, um nicht ermahnt zu werden. Durchblättern, feststellen, was verwendbar ist. Den Rest wieder abgeben und sich erneut auf das Glücksspiel einlassen, passende Bücher fürs Biologiereferat zu finden.

So habe ich in den 1980iger Jahren als Schülerin viele Stunden in der Studienbibliothek am Linzer Schillerplatz verbracht. In Erinnerung geblieben ist vor allem: Es war alt, stickig, streng.

Die Studienbibliothek gibt es nicht mehr. Sie wurde zur Landesbibliothek, renoviert und ausgebaut. Ein neuer Geist weht durch die ehrwürdigen Räume. Das zeigt sich nicht nur an der hellen, weitläufigen Architektur. Hier will man möglichst vielen Menschen Zugang zu Wissen und Literatur ermöglichen. Ein Leitfaden informiert fremdsprachige Besucherinnen und Besucher anhand von Bildern und Symbolen. Auch anspruchslosere Inhalte sind hier nicht mehr verpönt: So finden sich Modezeitschriften hier, zwischen in- und ausländischen Nachrichtenmagazinen und Fachzeitschriften. Aktuelle Bestseller. Hörbücher. Und sogar eine kleine, feine Bibliothek für Kinder.

Das Gebäude ist hell und luftig. Eine angenehme Ruhe liegt über den Leseräumen und Gängen. Sie ist nicht erzwungen, von streng blickenden Wächterinnen und Wächtern. Es scheint vielmehr, als würde das Gebäude selbst zum Respekt gegenüber den Lesenden einladen. Der sorgsam restaurierte Altbau harmoniert mit dem modernen Anbau. Es ist ein besonderer Ort, der den Gedanken Raum gibt, dem Forschen Ruhe.

Alt und neu ergänzen einander und bilden einen wertvollen Schatz für Lesende, Wissensdurstige und Studierende. Alte Handschriften und wertvolle Drucke aus der Zeit der Erfindung des Buchdrucks sind im ersten Untergeschoss sicher verwahrt und werden zu besonderen Anlässen hervorgeholt. Die Digitalisierung sorgt dafür, dass alle Interessierten jederzeit ganz einfach online in den alten Werken blättern können. Wer diese Schriften besonders schätzt, kann sogar beim Digitalisieren helfen und Fehler beim Scannen ausbessern. Oder wertvolle Infos ergänzen: Wer einen der abgebildeten Menschen oder Orte erkennt, kann deren Namen selbst eintragen.

Will man in Büchern stöbern oder etwas ausleihen, muss man nun nicht mehr bestellen ohne genau zu wissen, was man bekommen wird. Alle neueren Bücher sind nun im Freihandbereich zu finden. Als Nutzerin der alten Studienbibliothek finde ich es besonders schön, dass das alte Magazin, in dem die Bibliothekare früher verschwunden sind, nun ebenfalls als Freihandbereich zugänglich ist. Beeindruckend sind der gläserne Boden und die metallenen Regale, die die niedrigen Decken tragen.

Wer doch eines jener Bücher braucht, die nicht frei zugänglich sind, fühlt sich nun nicht mehr wie ein Bittsteller am Amt. Die Angestellten sind freundlich und hilfsbereit. Außerdem kann man seine Bestellungen schon vorweg übers Internet aufgeben und braucht nicht mehr vor Ort darauf warten.

Auch ins Magazin ist die moderne Technik eingezogen. Ein Lift liefert die gesuchten Bücher aus den drei unterirdischen Stockwerken ins Erdgeschoss. Nur wenn die Technik streikt und der kleine Buchwagen steckenbleibt – und das tut er natürlich besonders gerne an einer schwer zugänglichen Stelle – kann es hapern. Dann heißt es doch etwas warten. Was aber nicht schwerfällt hier.

Für mich ist diese Bibliothek ein wunderbarer Ort, um eine Weile aus dem Trubel der Stadt und des Lebens abzutauchen. Ich suche mir eine gemütliche Nische, stöbere in Büchern und Zeitschriften, versinke in den einen oder anderen Text. Schaue mich um und denke mir, wie gut meine Schulreferate wohl geworden wären, hätte ich schon vor dreißig Jahren diese Möglichkeiten gehabt.

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Direktorin Renate Plöchl löst das Rätsel, warum hier genau diese drei Buchstaben im Original verwendet wurden, um auf die ehemalige Studienbibliothek hinzuweisen: Sie wurden für den neuen Schriftzug „Landesbibliothek“ an der Außenfassade nicht benötigt.

1784 wurde die Bibliothek aus Beständen ehemaliger Klöster gegründet. 1999 wurde sie vom Bund ans Land Oberösterreich übergeben und von 2007 bis 2009 ausgebaut und renoviert. Seit 1934 ist sie hier am Standort am Schillerplatz. Davor war sie unter anderem 150 Jahre lang im Klosterhof untergebracht, bis sie wegen Einsturzgefahr geräumt werden musste.

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Das alte Magazin mit seinem Glasboden und den das Gebäude tragenden Regalen ist heute öffentlich zugänglich.

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Der sechsgeschoßige Bücherspeicher wurde beim Neubau der Bibliothek im Jahr 1934 errichtet.

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Der moderne Anbau ergänzt den historischen Altbestand optimal und sorgt für Luft und Licht zwischen den über 500.000 Medien im Haus.

Die Bibliothek versteht sich als wissenschaftliche Universalbibliothek. So finden sich hier Fach- und Sachbücher zu unterschiedlichsten Themen, Romane sowie alle Werke aus Oberösterreich.

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Die Bücher sind nach einer weit verbreiteten Systematik geordnet, der DDC-Klassifikation. Wer sich beispielsweise für Kunst interessiert und einmal herausgefunden hat, dass Bücher darüber immer mit einer Sieben als Anfangszahl einsortiert sind, findet Werke seines Interessensgebiets so auch schnell in einer Bibliothek in New York. Oder in Berlin.

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Wer mag, kann eine der vielen Zeitschriften hier lesen – auch ohne Bibliothekskarte.

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Lesen kann man beispielsweise hier in der Leselounge. Der Christbaumschmuck wurde übrigens von einer Mitarbeiterin selbst aus Papier gestaltet.

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Im Leseraum für großformatige Bücher sind bereits einige Dissertationen und Promotionen verfasst worden. Aber auch sonst gibt es viele ruhige Leseräume und -nischen. Ein Gruppenarbeitsraum kann gratis genutzt werden – dafür ist lediglich eine Onlinebuchung notwendig. Moderne Scanner, Drucker, Kopierer und PC-Arbeitsplätze mit Internetzugang können ebenfalls genutzt werden.

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Wer hier runterblickt, sollte einigermaßen schwindelfrei sein.

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Rudolf Lindpointner ist stellvertretender Direktor der Bibliothek und selbst ein wahrer Wissensschatz über alte Bücher. Hier zeigt er ein Evangelarium aus dem 12. Jahrhundert. Der Einband ist übrigens nicht mehr original. Er wurde irgendwann abgeräumt und verwertet. Das war wohl nicht allzu selten der Fall.

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Alte lateinische Texte sind etwas einfacher zu übersetzen als jene auf Deutsch. Das liegt daran, dass Deutsch damals noch nicht standardisiert war. Vor allem Abkürzungen sind dann kaum mehr zu deuten. Will Rudolf Lindpointner ein Rezept aus einem alten Kochbuch übersetzen, sitzt er da schon mal zwei Stunden dabei.

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Hier werden die historischen Schätze der Landesbibliothek in eigens entwickelten „Linzer Schubern“ gelagert. Bei 20 Grad Raumtemperatur und 40% bis 50% Luftfeuchtigkeit.

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Mit einem Bücherlift werden Bücher aus dem Magazin ins Erdgeschoß transportiert.

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Hier werden die kleinen Wagen ausgeladen und für die Ausgabe vorbereitet.

Text und Bilder entstanden im Rahmen einer Exkursion des Kepler Salon am 12. Dezember 2016.