Wertschätzung

Bild: Gerald Ehmann

Bild: Gerald Ehmann

Am Montag, den 19. Oktober 2015 war Alexander Van der Bellen zu Gast im Kepler Salon. Anlass war die Präsentation seines Buches „Die Kunst der Freiheit“. Meine Eindrücke als Gastgeberin dieses Abends.

Über 400 Teilnahmebekundungen auf Facebook lassen den Rahmen des Kepler Salons sprengen. Er wandert also ins Exil in den Gemeinderatssaal des Alten Rathauses. Auch dieser ist brechend voll. Bereits 45 Minuten vor Beginn sind fast alle Sitzplätze belegt. Zu Beginn stehen die Menschen dicht an dicht, sitzen auf der kleinen Bühne, hören vom Gang aus zu.

Als Alexander Van der Bellen die Bühne betritt, brandet Applaus auf. Wertschätzender, lang anhaltender Applaus. Das Publikum ist bunt gemischt. Auch viele junge Erwachsene sind gekommen. Spannend und schön, dass Van der Bellen, der die nationale politische Bühne bereits vor drei Jahren verlassen hat, so viele junge Menschen anlockt. Von wegen Politikverdrossenheit der Jugend.

Seine langsame Sprechweise ist ja bekannt, seine Nachdenkpausen, seine Gedankenschleifen. Live, im persönlichen Gespräch, wirkt diese Sprechweise fast noch langsamer. Dennoch: Die Zuhörer bleiben aufmerksam. Folgen seinen Anekdoten über zwecklose Medienschulungen, unterbeschäftigte Uni-Professoren und parlamentarische Auseinandersetzungen. Seine Schilderung, wie es wäre, würde Österreich eine analoge Regierungsform zur EU haben, macht vieles klar. Er vertritt eindeutige Meinungen und Überzeugungen, sei es der Keynesianismus oder die Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“. Aber auch differenzierte Wahrnehmungen, wie zum Thema TTIP. Manchmal scheint er sich erst beim Beantworten einer Frage klar zu werden, wie er nun dazu steht. Ob die Schweiz nicht eine kluge EU-Strategie verfolge, zum Beispiel. Wobei es wohl eher so ist, dass seine Meinung dazu schon vorher klar war. Er erläutert nur gerne, warum er es so sieht, bevor er eine Antwort gibt. Auch wenn das keine Antwort eine Politikers ist. Der er aber seit wenigen Wochen nicht mehr ist. Als Autor ist er hierher gekommen.

Nach eineinhalb intensiven Stunden, die die Menschen hockend, sitzend und stehend im engen, warmen Raum verbracht haben, wird Alexander Van der Bellen wieder mit diesem anhaltenden, wertschätzenden Applaus verabschiedet.

Die Frage nach der Kandidatur als Bundespräsident bleibt ungestellt. Sie war auch gar nicht wichtig, an diesem Abend im Exil-Kepler-Salon.

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