Mit Umsicht und Klarheit in die Veränderung

Mit der Einführung selbststeuernder Teams stärkt eine Steuerberatungskanzlei die Eigenverantwortung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine Case Study über die Wirkung von Führungshandeln in Fusionsprozessen.

Was, wenn wir den eben erst gewonnenen Zusammenhalt damit gleich wieder verlieren? So lautete die am häufigsten artikulierte Befürchtung der Mitarbeiter:innen bei der ersten Präsentation des Konzeptes für eigenverantwortliche und selbststeuernde Teams in der Steuerberatung RCON Sadleder.

Mit der Fusion der beiden Unternehmen RCON und Sadleder im Jahr 2023 sind zwei sehr unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander getroffen. Unterschiedliche Prozesse, Technologien und Arbeitsweisen haben die Zusammenführung ebenso gefordert wie die gelebten Werte, Codes und Zugänge der Menschen.

Samen säen

Nachdem im ersten Jahr nach der Fusion die Prozesse vereinheitlicht wurden und das soziale Zusammenwachsen gefördert wurde, sollte nun die Eigenverantwortung der Mitarbeiter:innen gestärkt werden. Indem diese mehr Verantwortung für den operativen Alltagsbetrieb übernehmen, sollten die beiden Geschäftsführer:innen Sarah Hofinger und Michael Radlgruber verstärkt für ihre Aufgaben in der Unternehmenssteuerung und -entwicklung sowie in ihren Expert:innen-Rollen freigespielt werden. Zudem waren die beiden zum bremsenden Flaschenhals im operativen Geschäft geworden.

Sobald sich die beiden auf diesem Weg verständigt hatten, begannen sie diese noch sehr rohe Zielsetzung an die Mitarbeiter:innen zu kommunizieren. Während diese damit gesäten Samen reiften, entwickelten die beiden Geschäftsführer:innen ihre Idee zum umsetzungsfähigen Konzept.

Rahmen setzen

Neben Zweck, Zielen und zentralen Werten dieses Vorhabens definierten sie ein konkretes Zielbild der neuen Struktur. Die bisher auf zwei Standorten von der jeweiligen Geschäftsführung geführten Mitarbeiter:innen bilden zukünftig drei Teams, die ihre Full-Service-Kund:innen¹ möglichst eigenständig betreuen. Damit wird die eher lose Strukturierung nach Fachbereichen abgelöst. Die beiden Geschäftsführer:innen führen das gesamte Unternehmen in gemeinsamer Verantwortung für die drei Teams. Als Expert:innen im Steuerrecht stehen sie ebenfalls allen drei Teams zur Verfügung.

Zudem haben die beiden den Rahmen der Eigenverantwortung für diese erste Ausbaustufe der selbststeuernden Teams definiert. Mit der Frage „Was ist dann konkret anders als bisher?“ wurde das Konzept nochmals kritisch reflektiert. Zudem wurden nachvollziehbare Antworten für das Warum der Veränderung ausgearbeitet und die Gestaltungsspielräume für die detailliertere Ausarbeitung mit den Mitarbeiter:innen festgelegt.

Hinterfragen und ausgestalten

Damit war die Grundlage gelegt, die von einer Arbeits- gruppe aus Mitarbeitenden reflektiert und konkretisiert wurde. Sie bereitete zudem einen Workshop vor, in dem das Konzept allen Mitarbeiter:innen vorgestellt wurde. Neben eben jener Befürchtung, dass dadurch der ohnehin noch fragile Zusammenhalt im Gesamten gefährdet sei, wurden organisatorisch- fachliche Bedenken eingebracht. Diese haben teils im weiterentwickelten Konzept Berücksichtigung gefunden, teils wurden in Einzelgesprächen Lösungen ausgearbeitet. Da der klare Anspruch besteht, keine Team-Silos entstehen zu lassen, wurden Formate der teamübergreifenden Koordination und Kommunikation festgelegt: Der fachliche Austausch findet über teamübergreifende Fach-Jour-Fixes statt, dazu gibt es regelmäßige Kanzleibrunches, Klausuren und Feste.

In die Umsetzung bringen

Im nächsten Schritt hat die Arbeitsgruppe die Zusammensetzung der Teams anhand gemeinsam definierter Kriterien² festgelegt. Im Zuge eines Kanzleibrunches wurden diese ebenso präsentiert wie die mittlerweile ausgearbeiteten Leitfäden sowie eine EDV-Lösung zur Steuerung der Prozesse, zur Qualitätssicherung und zur Koordination der Zusammenarbeit in den Teams.

Den offiziellen Auftakt für die Arbeit in der neuen Struktur bildeten Team-Workshops. Darin verständigten sich die Teams auf ihre im Alltag gelebten Werte und vereinbarten Formate der Koordination und Kommunikation auf Basis des von der Geschäftsführung definierten Rahmens.

Eine erste Reflexion der Zusammenarbeit erfolgte einige Wochen später im Rahmen einer Klausur. Darin haben die drei Teams anhand von Kriterien für die erfolgreiche Zusammenarbeit eine erste Selbstanalyse erstellt, die die Basis für konkrete Verbesserungsmaßnahmen darstellt. Zudem haben sich die Mitarbeiter:innen individuelle Ziele und Vorhaben zur Stärkung ihrer Eigenverantwortung und für ihre fachliche Entwicklung gesetzt.

Erfolgsfaktor Leadership

Durch die intensive Auseinandersetzung der beiden Geschäftsführer:innen zu Beginn des Prozesses, in der die Idee reflektiert und geschärft sowie ein klarer Gestaltungsrahmen gesetzt wurde, war die eigene Sicherheit und Klarheit gewonnen, auch in heraus- fordernden Phasen dieses weiteren Schrittes der Unternehmenstransformation im Leadership zu bleiben.

„Veränderung in einer eingesessenen Unternehmensstruktur ist kein einfacher Weg. Die Kombination aus Respekt vor dem Bestehenden und dem Mut, Neues zuzulassen, ist der Schlüssel zu nachhaltigem Fortschritt. Unsere Erfahrungen zeigen: Wenn Veränderung mit Haltung, Klarheit und Menschlichkeit gestaltet wird, kann sie nicht nur Strukturen modernisieren, sondern auch das Miteinander im Unternehmen stärken.“

Sarah Hofinger und Michael Radlgruber, Geschäftsführung RCON SADLEDER

1 Bilanz, Buchhaltung und Lohnverrechnung
2 Kapazitäten, Kontinuität der Kund:innen-Betreuung, fachliche Qualifikation,
zwischenmenschliche Chemie, physische Anwesenheit

 

Das Steuerberatungsunternehmen RCON und Sadleder & Partner beschäftigt 27 Personen an zwei Standorten in Neuhofen und St. Marien. Das fachlich breit aufgestellte Team vertritt Klient:innen vom Kleinunternehmen bis hin zu mittelgroßen Unternehmen jeder Branche. Nähere Infos zum Team und den angebotenen Services: www.rcon.at


Dieser Artikel ist 2025 im Magazin Inovator Nr. 44 erschienen.


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Die Kunst des Loslassens