Aufbruch

Ein Aufbruch: Fanni macht sich auf den Weg

Auf dem Weg zu ihrem Psychotherapeuten folgt Fanni einem spontanen Impuls und fährt an der Autobahnabfahrt vorbei. Sie steuert die Almhütte im Pinzgau an, in der sie die Sommer ihrer Jugend verbracht und mit Ernst ihre erste Liebe getroffen hat. Ins Einfamilienhaus in der Landgemeinde, in dem sie mit ihrem Mann Bernhard ihr Leben verbracht hat, wird sie nicht wieder zurückkehren.
Karin Peschka beschreibt den Aufbruch einer knapp 60-Jährigen aus ihrem Alltag – aus Norm, Ordnung und Routine. Fanni wird auch in ihrer Almhütte nicht zur Ruhe kommen. Sie folgt vielmehr ihrem inneren Antrieb, reist nach Wien, Frankreich, Kroatien und Budapest. Dort trifft sie ungewöhnliche Menschen, wie Marek, Berlin, Velten und die Ohnezweifels. Und versammelt diese in ihrem Klub Accursia, „einer divers ausgerichteten Wohngemeinschaft“ auf ihrer Alm. Mit diesem Begriff bezeichnet Fanni Dinge, die es immer noch gibt, obwohl sie nicht mehr wirklich gebraucht werden. Wie Postkarten, beispielsweise.
Das alles könnte nun höchst sentimental werden. So missbilligen ihre erwachsenen Kinder Fannis Entscheidung und brechen den Kontakt ab. Das „graue Fräulein“, das Fannis geplanten Besuch beim Therapeuten ausgelöst hat, wird sie immer wieder heimsuchen. Anders ist nur jetzt der Rahmen: Im von sozialen Normen geprägten (Ehe-)Leben in der Landgemeinde wurde es als selbstverständlich erachtet, dass Fanni das Problem selbst löst. Nun hat sie Menschen gefunden, die sie nicht bewerten und ihr helfen, durch die grauen Tagen zu kommen.
Auch durch ihren spritzigen und sprachwitzigen Stil lässt Peschka hier keinerlei Schwermut aufkommen. So entsteht ein temporeiches Roadmovie über einen Aufbruch, eine Neuorientierung und vielschichtige Portraits von Menschen, die den Mut haben, ihre eigenen Wege zu gehen.

Verlagsinfo zum Buch

Diese Buchrezension ist im oö. Kulturbericht 4/2020 erschienen.

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