Linzerkind

Eine Siebenjährige ist enttäuscht. Lange haben ihr die drei älteren Geschwister von den Sommerferien vorgeschwärmt. Doch nun sind sie langweilig und zäh. Die Freunde sind verreist, die Geschwister unterwegs und die Fahrt nach Ungarn, in das Heimatland des Vaters, noch in weiter Ferne.

So liest sie erneut ihr Lieblingsbuch „Die Kinder aus Bullerbü“, beobachtet ihre Schildkröte und freut sich über die kleinen Ereignisse im Alltag. Und wenn dann endlich einmal etwas Aufregendes passiert, stößt sie in ihrem Umfeld meist auf wenig Interesse: Keiner teilt ihre Aufregung über den Brief von Astrid Lindgren. Oder es entpuppt sich als weniger spannend als erhofft, wie der Besuch mit der Mutter bei der vermeintlichen Rockband „Wäit-Wotscher“.

Sehr anschaulich schildert Barbara Schwarcz einen Sommer im Linzer Stadtteil Kleinmünchen in den späten 1970iger Jahren. Das weckt Erinnerungen an die scheinbar endlosen Sommer der eigenen Kindheit. Und sorgt für viele Schmunzler. Wie die Interpretation des Mädchens der englischen Liedtexte, die aus dem Zimmer des großen Bruders tönen.

Viel mehr aber noch thematisiert Schwarcz das Aufwachsen als Kind von Einwanderern, die Prägung durch die unterschiedlichen Muttersprachen ihrer Eltern und das Spiel mit Sprache an sich. Lustvoll seziert sie Wörter und sorgt für neue Blickwinkel. Über den „Wortschatz“ sinniert sie: „(…) ist er nie vergangen, dieser Wunsch, dass es ihn doch gibt, dass du ihn hebst, den Deckel öffnest und drin findest du all die Wörter, die dir fehlen, um das zu sagen, was du jetzt nicht sagen kannst.“

In langen, über die Seiten mäandernden Sätzen, beschreibt die Siebenjährige ihre Welt. Als es dann endlich losgeht, nach Ungarn, wird darin nicht viel passiert sein und sich doch einiges verschoben haben.

Verlagsinfo zum Buch

Diese Buchrezension ist im oö. Kulturbericht 3/2020 erschienen.

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