Schatztauchen in Linz

Mit „Secrets“ und „Snooze“ hat die Künstlergruppe „die Fabrikanten“ im heurigen Oktober erneut zwei Live Art Projekte in Linz realisiert. Um herauszufinden, was sich hinter dieser Kunstform verbirgt, habe ich mich bei „Secrets“ als Schatztaucherin versucht .

Ich stehe vor der schmucklosen grauen Eingangstüre eines Hauses in Urfahr. Vor 24 Stunden hat mich eine SMS informiert, dass ich hier im Klostergarten der Oblatinnen abgeholt werde. Unzählige Male bin ich hier schon vorbeigefahren. Inmitten der dichten Häuserzeilen, zwischen den Gleisen der Mühlkreisbahn und dem dichten Verkehr der Rudolfstraße soll sich ein Klostergarten verbergen? Ich bin neugierig.

Schatztauchen
Die Geheimnisträgerin im Klostergarten der Oblatinnen in Urfahr. Foto: Reinhard Winkler

Eine große Frau mit langen grauen Haaren und freundlichen Augen begleitet mich und zwei weitere Gäste in den wunderschönen Garten. Sie wird die erste Geheimnisträgerin sein, die heute eine persönliche Geschichte mit mir teilen wird. Diese hat mit ihrer Kindheit zu tun und Bezug zu diesem Ort. Mehr sei hier nicht verraten.

Unser Treffen dauert nur eine knappe halbe Stunde. Die aber löst einiges in mir aus: Fragen darüber, wer was warum geheim halten möchte. Erinnerungen an die eigene Volksschulzeit bei den Brucknerschwestern. Erstaunen, wie in so kurzer Zeit Intimität und Nähe mit fremden Menschen entstehen können.

Beim Abschied überreicht mir die Frau ein Kuvert mit Anweisungen für die nächsten Stationen. Im Mariendom soll ich mich neben zwei Frauen mit Kurzhaarschnitten in die vierte Reihe von hinten setzen.

Im Mariendom beten zwei Frauen das „Vater unser“ – allerdings ohne Vokale. Foto: Reinhard Winkler

Etwas zögerlich nähere ich mich den beiden und frage: „Secrets?“. Die Frauen nicken, nehmen je ein Gotteslob in die Hand und reichen mir einen Zettel. Darauf steht das „Vater unser“, allerdings ohne Vokale. Die beiden Frauen sprechen es. Ich bin wieder unsicher: Soll ich da jetzt mitmachen? Was wird von mir erwartet?

So bin ich innerhalb kürzester Zeit in die sonntäglichen Kirchenbesuche meiner Kindheit zurückversetzt. Die vorspringende Leiste der Lehne drückt in meinen Rücken. Ich weiß nicht, wohin mit meinen Füßen (auf die Kniebank oder drunter?) und schon gar nicht, wohin mit meinen Händen.

Nach einer witzigen Litanei, in der die Fürbitten der Heiligen „des gibt´s ja ned“ und „Servasgschäft“ erfleht werden, deuten mir die beiden, mich zwischen sie zu setzen. Über mich hinweg beginnen sie zu tuscheln, über den Teufel, den man hier aber nicht rufen soll, um nicht in die Hölle zu kommen. Wie zwei Kinder, die sich die langweilige Zeit in der Kirche vertreiben. Das ist also ihr Geheimnis! Ich muss grinsen.

Am Walross tauschen Geheimnisträger und Schatztaucher ihre Erfahrungen aus. Foto: Reinhard Winkler

„Secrets“ waren kleine, kurze Begegnungen. Keine aufwändig inszenierte Kunst. Aber ich war Teil davon, nicht nur Zuseherin. Und das Haus der Oblatinnen wird für mich nun immer mit der wunderbaren grauhaarigen Frau und ihrer Geschichte verknüpft sein – die unzähligen Male, die ich noch daran vorbeifahren werde.

Wieder zurück in der warmen Oktobersonne mache ich mich auf zur letzten Station für heute. Auf dem Schiff „Walross“ treffen sich die zwölf Geheimnisträger mit uns Schatztauchern zum Erfahrungsaustausch. Wertvolle Gespräche mit viel Tiefgang ergeben sich. Sie helfen, die eigenen Gedanken zu sortieren und geben Einblick in die Erlebnisse an anderen Stationen.

Eine Nachbetrachtung von GeheimnisträgerInnen und SchatztaucherInnen
Kamera und Schnitt: Benjamin Müller

Infos

Live-Art in Linz: Die Fabrikanten Gerald Harringer und Wolfgang Preisinger im Interview

Dieser Artikel ist im oö. Kulturbericht 12/2018 erschienen.