Vom Schreiben
Autorinnen und Autoren geben Einblick in ihre Arbeit
Romane, Erzählungen und Gedichte bringen uns zum Lachen, Weinen und immer wieder auch zum Nachdenken. Wie aber entstehen diese Werke? Dieser Frage widmet sich Rudolf Habringer in seinem aktuellen Essayband „Das Unergründliche und das Banale“. Zitate daraus bilden den Ausgangspunkt für Einblicke in die Arbeitsweise von Mieze Medusa, Kurt Mitterndorfer und Margit Schreiner.
Inspiration finden
„Es stimmt, es ist schon alles gesagt. Und es stimmt nicht: Es formuliert, es fabuliert sich immer wieder neu. So ist es mit dem Schreiben.“
Mitterndorfer: Die Themen finde ich rund um mich herum. Da kann es oft ganz schnell gehen, wenn mich eine Zeile, ein kurzer Artikel, ein Interview einfach anspringt.
Medusa: Mal habe ich einen Impuls für eine Figur oder Geschichte. Mal bleibt ein Satz in meinem Hirn hängen und drängt sich auf.
Schreiner: Etwas bewegt, interessiert, packt mich und lässt mich nicht mehr los.
Mitterndorfer: Es gibt auch bei mir Ideen, die in mir rumoren, im Kopf herumgeistern. Das dauert oft ganz schön lange, dass so ein Text dann auch auf das Papier kommt.
Persönliches verarbeiten
„Etwas sperrt sich. Eine Scheu baut sich auf. Die Angst, mich schreibend zu entblößen. Zu persönlich zu werden.“
Schreiner: Meine Biografie ist immer Ausgangspunkt. Nur selbst Erlebtes weiß ich wirklich. Allerdings lässt sich selbst Erlebtes auch in erfundenen Situationen ausdrücken. Wo ist die Grenze zwischen Fiction und Faction? Auch unser eigenes Leben ist unsere eigene Erfindung.
Medusa: Es ist mir kein Ziel, autobiographisch zu schreiben. Mich oder meine Weltsicht zu verstecken allerdings auch nicht.
Mitterndorfer: Es gibt viele Texte, die unmittelbar mit mir zu tun haben, wo man das auch merkt. Andere Texte entstehen einfach so, finden sich, aber ich komm dann meist drauf, dass da immer wieder ich, mein Sein, einfließt. Auch bei den fiktiven Texten.
Arbeitsablauf gestalten
„In diesem Laden, in dieser Sprachwerkstatt kauft der Autor ein, füllt er seine Tasche, dann geht er nach Hause an seinen Schreibtisch und beginnt bei Null und stets mit jedem Text bei Null.“
Medusa: Immer gilt: Nach der Idee kommt die Arbeit. Die Arbeit, das Üben, das Dranbleiben ist wahrscheinlich wichtiger als die Idee oder das Talent.
Schreiner: Ich schreibe momentan an einem Roman, an dem gar nichts geplant ist. Weder Inhalt noch Form. Es gibt nur eine Vorgabe, ein bestimmtes Thema. Ich weiß am Morgen nicht, wie sich das Thema entwickeln wird. Es hat eine Eigendynamik.
Mittendorfer: Ich schreibe eher aus dem Bauch heraus. Ich fahr zum Beispiel mit dem Auto und dann kommt so eine Idee von irgendwo her – dann muss ich schnell anhalten und mir ein paar Notizen machen, damit ich´s nicht vergesse.
Medusa: Beim Schreiben verändert sich immer noch jede Menge. Die Ideen halten nicht unbedingt immer still. Ist ein bisschen wie Flöhe domptieren. Ich schreibe oft um.
Schreiner: Stimmt die Haltung, kann sich im Laufe der Arbeit vieles ändern, Module können umgestellt werden oder gestrichen. So wie der Inhalt entwickelt sich bei mir auch die Form im Laufe des Schreibens selbst.
Ruhe finden
„Damit ich arbeiten kann, muss ich mich zurückziehen. (…) Ich bin keiner der literarischen Helden, die im Gemurmel eines Kaffeehauses leichtfüßig von der Muse geküsst werden. Leider.“
Mitterndorfer: Gar nicht schreiben kann ich, wenn neben mir geredet wird. Das lenkt mich zu sehr ab. Ich brauche die Ruhe, die Stille zum Schreiben.
Schreiner: Ich kann überhaupt nicht schreiben, wenn die geringsten Irritationen auftauchen: Interviews, Telefongespräche, Besuche von Freunden, Steuer, Arztbesuche. Also eigentlich kann ich gar nicht schreiben. Dagegen kämpfe ich täglich an, indem ich entweder Termine verschiebe, absage oder vergesse.
Medusa: Ich kann nicht mit Blick auf die Uhr schreiben. Das heißt: freie Tage halte ich auch frei. Will keinen Termin, auch keinen netten, privaten. Fürs Privatleben hat das Folgen. Ja. Ich glaub der Freundeskreis würde sich freuen, wenn ich den Roman dann mal langsam fertig hätte. Sorry.
Hilfsmittel nutzen
„Ich brauche eine Werkstatt, ich brauche Ruhe, ich brauche Abgeschiedenheit zum Arbeiten. Ich schreibe fast ausschließlich in Klausur.“
Mitterndorfer: Ich kann fast überall schreiben, am Esstisch, im Wohnzimmer, auch draußen, nur direkt in den Computer hinein schreib ich die Texte zuerst ich so gut wie nie. Ich brauch, scheint es, die altmodische Art zu schreiben.
Schreiner: Am besten schreibe ich in Abgeschiedenheit: am Wallersee, in Schottland, Italien, Frankreich, in meinem Schreibzimmer in Linz. Seit neuestem habe ich das Ziel, täglich zwei Seiten zu schreiben, egal, ob ich dafür eine Stunde brauche oder einen ganzen Tag.
Medusa: Bei meinem aktuellen Romanprojekt arbeite ich zum ersten Mal mit einer Schreibsoftware. Ich mag Software, mir macht das Spaß. Das Gute daran: Man kommt vom Pacing einer Manuskriptseite weg und sieht den Text sowohl in größeren, als auch kleineren Einheiten.
Feedback erhalten
„Am Ende der Plage kann schließlich auch das Scheitern stehen, ein verächtlich machender Verriss, der die Kriterien seiner Häme nicht aufzudecken braucht, oder eine ökonomische Pleite, ein Verkaufsdesaster.“
Schreiner: Ich habe keine Angst vor dem Scheitern, weil ich weiß, dass es immer noch Arbeitsdurchgänge gibt, in denen sich noch (fast) alles ändern kann.
Medusa: Scheitern ist immer ein Thema. Zwischenfeedback hole ich mir. Besonders mit Markus Köhle habe ich eine enge Arbeitsgemeinschaft aufgebaut. Er kennt mich inzwischen so gut, dass sein Feedback wirklich toll ist und wahnsinnig hilft, meine Ziele in den Texten besser herauszuarbeiten.
Schreiner: Mein Mann ist mein Erstleser. Meistens bekommt er das Manuskript, wenn die erste Fassung fertig ist. Ich achte sehr genau auf seine Kritik, da sie immer bedeutet, dass etwas nicht richtig „rübergekommen ist“, auch wenn meine Überarbeitung dann anders ausfällt, als er vorgeschlagen hat.
In seinem Essayband „Das Unergründliche und das Banale“ gibt Rudolf Habringer auf feinsinnige Weise Einblicke in sein Arbeitsleben und liefert so manche überraschende Information zu Autoren wie Thomas Bernhard und Raymond Carver. Der Band ist 2017 im Mitter Verlag erschienen.
Dieser Artikel ist im oö. Kulturbericht 1/2018 erschienen.
Auch die von mir sehr geschätzte Maria Sigl hat sich in einem Text mit der Arbeit von Schriftstellerinnen und Schriftstellern beschäftigt: „I´m a surivor“ erzählt, wie Anna Weidenholzer, David Fuchs, Milena Michiko Kloos und – auch hier – Rudolf Habringer arbeiten.
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