Siezen Sie noch oder duzt du schon?

Damals, vor vielen vielen Jahren, als IKEA Österreich eroberte, war es eine Sensation: Ein Betrieb, der seine Kunden duzte. „Unverschämt“, sagten viele – und pilgerten doch in die gelb-blauen Hallen, um günstige Selbstbaumöbel zu kaufen. Mittlerweile ist es ganz normal, dass uns die Schweden duzen. Das will was heißen, in einem Land, indem die korrekte Anrede mit akademischen und honorigen Titeln aller Art noch immer hohe Bedeutung hat. Selbst die Frau Doktor, als Frau vom Doktor, soll es noch da und dort geben.

Doch nun brechen Dämme und das „du“ gewinnt immer mehr an Land. Es ist ja noch wenig überraschend, dass der ORF-Jugendsender FM4 seine Hörer duzt (von denen nicht wenige mit dem Sender mitaltern und wahrscheinlich auch schon auf die Vierzig zugehen). Dass aber auch Kronehit und Welle1 vom höflichen „Sie“ Abstand nehmen, überrascht dann doch ein wenig. Beide Sender haben im letzten Jahr Hörer dazugewonnen – es dürfte also nicht stören. Neulich beim Umweltkongress des Landes OÖ wurden die TeilnehmerInnen zum Teil ebenfalls geduzt. Das war kein Treffen lauter junger und junggebliebener Umweltaktivisten – hier waren auch Leiter aus Wirtschaft und Verwaltung mit dabei. Aber keinen schien es zu irritieren. In vielen Geschäften erlebe ich es selbst: Ich werde ganz selbstverständlich geduzt. Obwohl ich auch mittlerweile fast Vierzig bin, Akademikerin, verheiratet, Mutter zweier Schulkinder – also ganz sicher nicht mehr jugendlich. Ich hab kein Problem damit, duz zurück und fühl mich jung.

Die Ansprache mit Titeln stirbt ohnehin über kurz oder lang aus. Der Bologna-Prozess brachte uns neue akademische Titel, einen Bachelor oder Master werden wir wohl kaum so ansprechen. Lediglich der Doktor bleibt uns erhalten. Aber auch damit hab ich nicht das geringste Problem. Ich fand es ohnehin immer seltsam, wenn ich mit „Frau Magister“ angesprochen wurde. Mit meinem Namen klingt das viel persönlicher. Der Gesprächspartner zeigt mir viel größere Wertschätzung, indem er zeigt, dass er sich meinen Namen gemerkt hat.

Da bricht also etwas auf, verändert sich eine Kultur. Oft ist es schwierig, damit umzugehen. Ganz besonders bei den neuen Medien. „Du“ oder „Sie“ im Kontakt mit Fremden auf Twitter oder Facebook? Aber auch im persönlichen Gespräch. Jugendliche duze ich, ganz klar. Menschen meiner Generation? Große Unsicherheit. Ältere Menschen: Ganz klar „Sie“. Da wird es nur schwierig, wenn ich jemanden nach Jahren wieder treffe, den ich zuletzt als Jugendliche gesehen habe. Damals wurde ich geduzt und habe den Erwachsenen gesiezt. Jetzt treffen wir uns als Erwachsene. Was tun? Die herkömmlichen Regeln gelten nicht mehr. Neue gibt es (noch) nicht. Ich laviere mich durch, achte darauf, wie der andere (re-)agiert. Und hoffe, dass es nicht allzu peinlich wird. So oder so.

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