Halbbruder

Halbbruder – wenn alles schon gesetzt scheint

Nach seinem Vortrag im Pfarrzentrum wird Gregor Leirich von einer Frau angesprochen. Sie überreicht ihm einen Zettel mit einem Namen und einer Telefonnummer und meint nur, dass das sein Bruder sei. Eine kurze Recherche im Internet zeigt die große Ähnlichkeit des angeblichen Bruders mit Leirichs Vater.

Diese Erkenntnis stellt viele Gewissheiten des Historikers in Frage. Er beginnt zu recherchieren und sich genauer mit dem Leben seines längst verstorbenen Vaters zu befassen. So nähert er sich Schritt für Schritt dem älteren Halbbruder an, bevor er sich endlich dazu aufraffen kann, ihn anzurufen.

Rudolf Habringer portraitiert einen Mann, der sich ohne große Ambitionen durchs Leben schlägt. Seine Karriere ist längst ins Stocken geraten und beschränkt sich auf einen Lehrauftrag am Institut für Zeitgeschichte und gelegentliche, mäßig besuchte Vorträge über Massenmedien. Als Pianist untermalt er zwei Mal im Monat den „Brunch mit Musik“ in einer Cafébar.

Auch mit den Frauen will es nicht so recht klappen, seit seine Ehe mit Ariane vor vielen Jahren geschieden wurde. Seine Tochter lebt längst ihr eigenes Leben, die beiden Schwestern trifft er selten. So verbringt Leirich viel Zeit allein, sinniert über den möglichen Plural des Wortes „Unbill“, wühlt sich durch alte Ausgaben von Regionalzeitungen und fantasiert eine alternative Karriere als Prokrastinationsexperte. Habringer portraitiert seinen Protagonisten sehr stimmig und glaubwürdig. Rasch findet man sich in Gregor Leirichs Leben ein und kann seinen Charakter gut fassen. So zieht dieser leise Roman seine Leserinnen und Leser rasch in den Bann. Dazu trägt sicherlich auch die lebendige und wohlformulierte Sprache bei – und auch der feine Witz, in dem der Satiriker Habringer immer wieder hervorblitzt.

Verlagsinfo zum Buch

Diese Buchvorstellung ist im oö. Kulturbericht 6/2021 erschienen.

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